Das Konstrukt der BI Competence Center ist in die Jahre gekommen – wird es den aktuellen Anforderungen noch gerecht?
Gefühlt ist es erst ein Wimpernschlag her, da waren Business Intelligence Competence Center (BICC) der neuste Schrei und jede Organisation, die etwas auf sich hielt, musste diese Organisationsform einführen. Doch erweiterte Anforderungen sowie neue Technologien und Kompetenzen im BI- und Analytics-Umfeld, zeigen heute den Bedarf eines Re-Designs dieser Organisationsmodelle auf. Dabei spielt insbesondere der Einsatz von künstlicher Intelligence (KI) im Zusammenspiel mit Data Science eine gewichtige Rolle. Zudem unterstreichen agile Projektmethodiken die Notwendigkeit dieser Vorgehensweise auch hinsichtlich Unternehmensstrukturen Rechnung zu tragen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob das BICC in seiner bisherigen Form noch zeitgemäß ist.
BI ist nicht mehr nur ein Oberbegriff für Reporting
Vor etwa zehn Jahren kamen erste Diskussionen und in der Folge Initiativen auf, das Thema BI auch in neue Organisationsformen zu überführen. Viele Anwendungsunternehmen hatten über vorangegangene Projekte eine umfassende Reporting-Architektur aufgebaut. So wurden auch erste Erfahrungen gesammelt, welche Maßnahmen sich erfolgreich umsetzen ließen und welche weniger. Um die Schnittstelle zwischen IT und Fachbereich dauerhaft zu schließen und die Synergien aus dem Konglomerat von Fach- und IT-Kompetenz zu nutzen, wurden neue Competence Center ins Leben gerufen. BI war fortan nicht mehr nur ein Oberbegriff für Reporting.
Bei der Umsetzung dieser neuen Abteilungen gab es unterschiedliche Ausprägungsformen. Dabei wurde zwischen komplett virtuellen, hybriden bis zu physischen Competence Centern unterschieden, die BI- und Prozessexperten aus IT und Fachbereich umfassten. Zudem gab es auch in der Berichtslinie verschiedene Herangehensweisen, ob das BICC als eigenständige Abteilung im Finanzbereich, in der hauseigenen IT oder als Stabstelle aufgehängte wurde.
Gerade in der Anfangszeit dieser neuen Organisationsmodelle und allen voran bei virtuellen Zusammenschlüssen zeichneten sich immer wieder Probleme im laufenden Betrieb der BI Competence Center ab. Waren insbesondere Delegierte der Fachfunktionen nur virtuell oder in Teilzeit dem BICC abgestellt, kam es nicht selten zu Konflikten im Zeitmanagement, da der Arbeit im BICC zumindest zu Beginn nur eine untergeordnete Priorität zugestanden wurde.
Mit der Zeit konnten aber viele Unternehmen das für sie passende BICC Konstrukt finden und manifestieren. Und die zahlreichen Vorteile, die mit der Einführung eines BI Competence Center einhergehen, sind auch Vorbild für viele andere Geschäftsprozesse gewesen. So wurden in Anlehnung an diese Konglomerate auch Competence Center für Customer Relationship Management (CRM) oder beispielsweise Data Management bzw. Data Governance etabliert.
Agilität hat nicht nur Auswirkungen auf die Projektvorgehensweise
Nicht nur BI-Projekte wurden lange Zeit nach klassischer Wasserfallmethodik geplant und durchgeführt. Die Vorteile für die Anwenderunternehmen waren dabei die vorhersehbaren Projektkosten sowie die Projektdauer. Mit der Zeit haben sich aber mehr und mehr agile Vorgehensweisen durchgesetzt.
Teilweise setzen technische wie fachliche Bedingungen eine agile Projektierung voraus. Data Science Projekte skizzieren oftmals nur einen rudimentären betriebswirtschaftlichen Rahmen und beanspruchen Raum für Erkenntnisse, die sich erst im Laufe des Projektes herausschälen. Außerdem gibt es mittlerweile eine Fülle an neuen Werkzeugen im BI- und Analytics-Markt, deren Anwendung durch eine agile Herangehensweise erprobt werden müssen. Spezielle Anforderungen an Analytics und Visualisierungen bedingen zum Teil dedizierte Tools.
Agile Projektteams sind ein stückweit vergleichbar mit den zuvor beschriebenen BI Competence Centern. Für einen zuvor abgesteckten Zeitraum verfolgen Vertreter aus IT und Fachbereich das gleiche Projektziel und arbeiten in einem temporären Team eng zusammen. Auch hier bringt jedes Projektmitglied seine jeweiligen Kompetenzen und Fertigkeiten aus seiner Spezialdisziplin ein und gewährleistet so ein hochgradig leistungsstarkes Team. Somit hat der Ansatz nach Scrum oder anderen agilen Projektmethodiken mehr und mehr Einfluss auf die Aufbauorganisation.
Gesteigertes Tempo als ausschlaggebender Grund für agile Projektvorgehensweise
Um insbesondere eine enge Verknüpfung zwischen den fachlichen Anforderungen und der Machbarkeit einer technischen Umsetzung herzustellen, können allen voran in frühen Projektphasen agile Projektvorgehensweisen hilfreich sein.
Agile Vorgehensmodelle bieten sich in mehrfacher Hinsicht an, um beispielsweis technisches und konzeptionelles Neuland zu beschreiten. Das Arbeiten in kleinen exklusiven Teams, die in Sprints von nur wenigen Wochen ununterbrochen Output erzeugen, lässt schnell Rückmeldungen zu, ob die avisierten Ziele zu erreichen sind. Dieser Output lässt dauerhaft die Möglichkeit zu, Nachjustierungen in der technischen Ausrichtung vorzunehmen oder – wenn nötig – Diskussionen hinsichtlich fachlicher Kompromisse anzustrengen. Somit trägt dieser methodische Ansatz dem Wunsch nach einem höheren Tempo in der Umsetzung und Ergebniserzeugung Rechnung.
Erste Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass Lösungen aus agilen Projekten sehr viel häufiger als gemeinsamer Projekterfolg aus IT und Fachbereich verstanden werden und somit eine ungleich höhere Akzeptanz bei allen Projektbeteiligten schafft.
Dezentral ist das neue zentral
In der Vergangenheit verfolgten viele Anwenderunternehmen den Aufbau eines zentralen Data Warehouses, um dem „Single-Point-of-Truth“ Anspruch gerecht zu werden. Mittlerweile haben sich solche Initiativen überholt. Vielmehr ist ein vermehrter Trend hin zur Dezentralisierung festzustellen.
Sinnvollerweise steht zu Beginn von Big Data Initiativen der konkrete Anwendungsfall im Mittelpunkt. Data Scientists werden in diesem Zusammenhang direkt dem entsprechenden Fachbereich zugeordnet. In der Umsetzung kommen dabei von Fall zu Fall unterschiedliche Modellierungs- und Analytics-Werkzeuge zum Einsatz. Immer seltener besteht der zwingende Bedarf temporär oder dauerhaft generierte Datenbestände zentral bereitzustellen. Dezentral ist das neue zentral. Es müssen lediglich Schnittstellen für den fachbereichsübergreifenden Datenaustausch im Bedarfsfall berücksichtigt werden.
Der „Single-Point-of-Truth” wird sozusagen durch das „Single-Net-of-Truth“ ersetzt. Die Daten verbleiben dort, wo sie benötigt bzw. generiert werden. Eine Data Governance schafft den Rahmen für ein unternehmensweit durchlässiges Netz an Informationen.
Es gibt Funktionen, die sinnvollerweise zentral organisiert werden – BI ist es nicht mehr
Und dieser dezentrale Ansatz einer neuer Datenarchitektur kann sich schlussendlich auch in der Aufbauorganisation der Zukunft widerspiegeln. Der Netzwerkgedanke löst den zentralistischen Ansatz mehr und mehr ab.
Wie zuvor beschrieben werden Data Science Kompetenzen in der Regel direkt in der Prozessorganisation angesiedelt. Da diese Funktionen auch fachliche und technische Unterstützung von ordinären BI-Disziplinen benötigen, sind Ansiedlung weiterer BI-Rollen im Fachbereich die logische Folge. Somit finden sich in den Linienorganisationen komplette Teams wieder, die von der fachlichen bis zur technischen Expertise den kompletten BI- und Analytics-Stack abdecken – ähnlich, wie es in agilen Projektteams für einen temporären Zeitraum der Fall ist.
Somit tritt an die Stelle des vormals zentralistischen BICC zukünftig ein unternehmensweites Netz an BI-Experten, die sich über entsprechende Governance-Strukturen vor allem virtuell organisieren und abstimmen. Dabei gibt es Funktionen, wie Infrastruktur und Cloud-Architektur, die zunehmend an Bedeutung gewinnen und auch weiterhin in zentralen Competence Centern bzw. der IT organisiert werden sollten.
Bei einer vermehrten Anzahl von BI- und Analytics-Werkzeugen sowie unterschiedlichen Datentöpfen, ist eine funktionierende Data Governance wichtiger denn. Hier können zentrale Instanzen Richtlinien vor-geben, die für alle Funktionen und Beteiligten im unternehmensweiten Netz maßgeblich sind.
Fazit
Die Projekte werden agil und mit cross-funktionalen Teams besetzt. Fach- und IT-Experten arbeiten für eine abgesteckte Projektdauer eng zusammen. Die Praxis zeigt, dass diese Vorgehensweise immer häufiger von Erfolg gekrönt ist. Warum sollten also Anwenderunternehmen nicht folgerichtig den nächsten Schritt gehen und zentrale Strukturen aufbrechen und an deren Stelle ein Netzwerk aus BI- und Analytics-Experten aufsetzen?
Business Intelligence wäre nach der Einführung der BI Competence Centern einmal mehr der Taktgeber hinsichtlich neuer Organisationsmodelle.
* Der Beitrag spiegelt die Meinung des Autors wider und ist keine allgemeingültige Meinung des TDWI. Als TDWI bieten wir die Plattform, alle Themen und Sichtweisen zu diskutieren. *
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